Fragmente

 

Die Sprache der Engel : 

 

            das Schweigen

 

 

 

 

 

 

Die Engel du siehst auf Friedhöfen sie nur

verwittert bronzen oder marmor hell

mit Flügeln ganz aus Himmelsweite

erhaben stolz

so fächern sie die Luft

die unter Schatten hoher Bäume

flach über Gräber zieht

 

 

 

ihr Mund ist still

das Schweigen einer Zeit

die niemals findet mehr den Atem

die weggerückt

entfernt schon ist

 

 

 

und niemand weiß

ob ihre Augen sehen

die Bilder die einst

durch die Toten gingen

 

 

 

sie stehen still die Engel

in Sonne, Nebel oder  Eis

sie werfen Schatten auf  das Gras

wo ihre Flügelspitzen

stumm mit den Blumen, Steinen

tanzen sanft im Wind

 

 

 

ihr Flug ist ganz nach innen

die Augen offen

sehen sie dich an

aus einer Ferne

die du nie begreifen kannst

 

 

 

sie halten stand

frißt Rost auch ihre Lippe

löst sich auch ihr Gesicht

selbst wenn ein Flügel liegt

am Boden schon danieder

 

 

 

 

und ihre Haut sie färbt sich grün

wenn sie aus Bronze sind

ansonsten ziehen Spinnen

schwarz über ihren hellen Marmor hin

 

 

 

 

ihr Angesicht  ist Schönheit

die uns strahlt

aus einer unbekannten Tiefe

Nähe die uns Helle wird

 

 

 

 

doch jedes Äußere ist Gleichnis nur

der innren  Kraft

die nur die Seele sieht

 

 

 

 

denn nur was tief in dir

du selbst gespürt

verleiht die Flügel dir

 

 

 

 

so wirst du Nähe ganz

die alles wagt

ohn zu verlieren sich

 

 

 

 

die Engel stehen bei den Toten

Wächter einer andern Zeit

behüten sie den Schlaf

 

 

 

 

doch in dem Leben hier

da hilft kein Standbild dir

geh durch die Bilder all hindurch

die Fotos die nur Glanzpapier

 

 

 

 

die Kraft der Engel spürst du nur

wenn Nähe aufschließt dir

die Öffnung hin

zu Gott und allen Dingen

 

 

 

 

wenn du ganz Körper Seele eins

dich schenken kannst

wo du Vertrauen findst

 

 

 

 

so löst sich Zwang

die Schatten fliehen aus den Worten

sanft spürst du Hauch

aus niegekannter Tiefe, Weite

 

 

 

 

die Helle strömt dir durch die Haut

fließt zu den  Sternen, Raben, Meeren hin

 

 

 

 

 

 

                                                                                 Ich weiß nicht genau, wo die Engel

                                                                                 leben, ob in der Luft, im leeren

                                                                                 Raum oder auf den Planeten; Gott

                                                                                 hat nicht gewollt, daß wir davon

                                                                                 Kenntnis erhielten.

 

                                                                                                            -- Voltaire --

 

 

 

 

 

 

Engel gibt es nur auf Friedhöfen

steinern und kalt

 

nur im Federkleid des Raben

fliegen sie

 

zu dir

 

 

 

*

 

 

Der Flug des Engels

gebettet auf Federn

mit zuenem Blick

erahnen die Weite des Himmels

die Ankunft in jedem

wenn der Staub

sich zur Helle hinwirft

 

 

 

*

 

 

 

Vor dunklem Geäst

die Helle des Marmors

tiefverwurzelt war ich

Riß in jeder Glätte

 

 

 

*

 

 

 

Die Blinden

tragen ihre Sterne

auf dem Kopf

ihr Haar fühlt sie

erleuchten ganz die Nacht

 

 

 

*

 

 

 

Und jeder Tote ist ein Stein

aus einem andern Land

die Schatten ziehen durch uns

und flechten Sterne , Kreuze sich

aus Staub und längst verwehterAsche

 

 

 

 

*

 

 

 

Nähe die sich öffnet zur Weite

Geflecht der Stille

 

 

die Leere des Steins

 

 

ohne den Vogel

die Welt so leer wie der Tisch

 

 

 

 

*

 

 

Die blaue Stunde öffnet ihre Tür

und keiner tritt hinein

 

die Nischen der Heiligen sind leer

doch das Licht fällt noch immer

in die Leere des Staubs

 

 

 

*

 

 

 

Die Götter die in diesen Nischen hausten

sie zogen höhlenwärts zur Erde hin

nun ist der Platz ganz leer

und nur der Himmel spiegelt sich

im Licht das wandert durch die Bögen hin und her

 

 

 

*

 

 

In diesem Grabgewölbe

ein Buch dir ganz aus roter Asche

Flammen der Engelsflügel

schlagen aus ihm dir hervor

 

 

 

*

 

 

Das ist die Stille

die auf Körper leuchtet

aus der Dunkelheit

 

 

in solcher Höhe

streckt sich Eis und Fels

schlangengleich

die Gipfel durch das Wolkenmeer

 

 

 

*

 

 

 

Mit spätem Lorbeer

krönt die dunkle Muse

das frühe Antlitz

hell erstrahlend noch im Tod

der jungen  Psyche

deren Haar

den Marmor überwallend

gelöst zur Erde fällt

 

 

 

 

*

 

 

 

Eine hohle Maske

bin ich nur

der Tod

hinter leeren Augenhöhlen

keine Bilder

Eidechsen nur kriechen

sommertags hin

über Stein

 

 

 

*

 

 

 

Der lange Weg vor dir

beeil dich

auch wenn du kein Ziel hast

sonst wirst du selber noch Straße

sie teeren dich zu

 

 

 

und unsre Blicke

sind nur schwarze Netze

die fangen ein das Nichts

 

 

 

*

 

 

Komm zu mir wenn ich ganz alleine

in Gängen ohne Ankunft bin

 

 

*

 

 

Aus der Mondgasse nippen wir

die Schattern der Mauern

an denen die Eidechsen huschen

 

 

 

*

 

 

 

So verharr ich hier in Stein

an der Küste ohne Ankunft

 

 

 

*

 

 

 

Ich fang das Leben ein

und nicht die Bilder

ich seh die Schatten

durch die Augen wandern

zu einem neuen Tag

 

 

 

*

 

Ich mag nicht

wenn du mit mir gehst

 

 

*

 

 

Wir gehen durch Portale

die es nicht mehr gibt

in Gärten umgestürzter Säulen

und pflanzen wieder in Ruinen

die Saat der roten Amaryllis

 

 

*

 

 

 

Du weißt

daß ich empfindlich bin

zerreiß nicht meine Seele

 

halt fest zu mir

Kraft laß nicht locker

 

 

 

*

 

 

Hörst du

was jener dunkle Engel spricht

mit leeren dunklen Augenhöhlen

inmitten grüner Rosenblätter

wachs ich aus Fels und Nacht

mein Blick ist hohl

nichts hält ihn auf

nichts fängt sich drin

noch hält er je

nur etwas fest

durchdringt nur alles

die Augenränder goldne Schlangen mir

die kriechen in die Unterwelt zurück

 

 

 

 

*

 

 

 

 

Frag nicht

es war der Tod

der mich geschmückt

mit zarter sanfter Hand

in meinen Augen siehst du nur

die Glätte weißen Steins

er nahm die Schatten alle mir hinweg

ich bin nicht blind

ich sah wie Gott mich schuf

dem Morgen gleich

der noch in Nebel eingehüllt

benetzt vom frischen Tau

den Mittag nie erlebt

der Nacht noch nah

aus der er aufgewacht

du siehst nur Marmor hier

die Glätte kalten toten Steins

von Efeu einst umschlungen

du siehst die Schlangen nicht

die durch die Zeit sich winden

ihr Biß in Ewigkeit

es war der Tod der mich geschmückt

ich war verbotne Speise ihm

vom Baum des Lebens war ich noch

der erste Flügelschlag des Engels

der in das Feuer flog

aus dem die Sterne sind

 

 

 

 

*

 

 

 

Wir kämpfen nicht

wir gehen durch die Kriege

ganz hindurch

wie Schatten durch das Rot

der Stab der uns führt

hölzern doch feurige Asche

die Flügel werden unsichtbar

und sind gespannt doch

Trauer über unfaßbarem Grauen

 

 

 

 

*

 

 

 

Auch wir sind zerfetzt

hätten wir sonst Blicke

zu helfen zu sehen

auch wir gehen durch Filme hindurch

hauchdünnes Zelluloid zerreißbar

mitunter sind unsre Flügel

puppenartig  mottig

zerklebt an Dreck, an Blut, an Teer

doch wir wissen

die Liebe      leicht wie eine Feder

ist stärker   als alle Felsen und Meer

 

 

 

 

*

 

 

 

Dem Albatross gleich wenn er

an Höhe ganz verliert

der Erde nah versucht

dann Fuß zu fassen

so werden unsre Flügel schwer

gewaltig erdenschwer

die eben schwebten noch

im Lichte leicht und hehr

und barfuß strecken wir

dann unsre Füße aus

auf Grund so kalt und naß

so totenschwer

 

 

 

*

 

 

 

Wir Engel manchmal unter Seide strafft sich

unsre Haut wie sündiges Verlangen

dann fließen Feuerströme ganz durch uns

und alle Himmel beben

an unsren Flügeln zu erzittern

 

 

 

 

*

 

 

 

Wir versteinern nicht

und selbst im Rost

sind wir noch stolz

wir heben unsre Blicke aufwärts

offnen Augs

die Schnitte in den Flügeln

narben wir nicht zu

und legt sich Schwärze uns

auf unsre Lippen

wir schweigen still

erhaben hehr

 

 

 

*

 

 

 

Die Arme verschränkt

die Flügel erhoben

mit scheuem doch stolzen Gesicht

ahnen wir was uns entgeht

wir sind schön

doch wissen es nicht

 

 

 

*

 

 

 

Wir gehen durch Tore

die sonst keiner sieht

wir öffnen Meere

wo sonst Wüste ist

die Sonne spiegelt sich

doch niemand blendet uns

wir sind durch alles Äußere

schon längst geschritten

und unre Liebe wächst

von innen aus

 

 

 

*

 

 

 

 

Weißt du noch

als wir Engel waren

und haben den Segen Gottes gepikt

aus einer Bettelschale

 

 

 

*

 

 

 

Du warst die einzige

die je erblickt

die goldne Spinne

deren Netz ich bin

ich trage sie auf

grüner bronzner Haut

wie eine Sonne

überm Herzen hin

 

 

 

*

 

 

 

In unsren Herzen wachsen grüne Inseln

mit Riffen ganz aus Feuer und aus Stroh

in Meeren die wir selber stets durchqueren

von einem ich zu einem andern du

 

 

 

*

 

 

Es löst sich auf der Kalk, der Stein

doch Antlitz bleibt

der Blick der auch nur einen Tag

auf Gottes Schöpfung lag

nach innen in die Seele

wendet sich das einst gesehne Licht

 

 

 

*

 

 

 

Zu Stein geworden

schwerer noch als Erde

wachs ich danieder in die Tiefe

nichts das mich hält

ich falle ganz hinab

und langsam legt sich

über allem Licht der graue Schleier

 

 

 

*

 

 

 

Engel des Abgrunds

mit den Strahlen

aus finsterster Tiefe

die von unten

dein Gesicht

gebündelt erdunkeln

die deine Flügel zeichnen

wie Farne der Nacht

dein Kopfband schmal

geschlossen dein Haar

sag mir wo hütest du

unter Lippe, Aug oder Haar

was eines Menschen Lippe nie gestreift

das verborgene Wort

bewahrst du

      Schweigen der Nacht

 

 

 

 

*

 

 

 

Mit schmalem Kopfband

vor verlassner Säule

das Haar fällt

in die Flügel fast

der Blick zu Sternen

teilnahmslos

als ob im Herzen

sie erloschen sind

 

 

 

 

*

 

 

 

Als ob das Leben ein Vulkan

zu Lava ganz erstarrt

nun mein Gesicht

versteinert aschengrau

die Wangen aufgebrochen

wie aus Schmerz

der Mund verschlossen

blicklos nun

ich war ein Engel

meine Augen sahen

das Feuer Gottes

lebt in jedem toten Stein

Trink diese letzte Tasse Tee

und stell sie auf den kalten Stein

ist leer sie dann

pflanz junge Gräser drin

Halme biegsam ganz im Wind

das Leben so zerbrechlich ist

hauchdünn wie Porcellan

 

 

 

 

 

*

 

 

 

In grauer Stille

wart ich ganz

die Augen zu

verwachsen schon

zu kaltem Stein

doch wenn du kommst

da werden Feuer werfen sie

dir Funken sprühen

 

 

 

*

 

 

 

Goldener Engel aus Byzanz

mit dem dunklen Fleck auf der Stirn

halbmondartig

dein grünes Gesicht

weiß um die Schönheit

      dein Haar dir fällt

auf  nackte Brust

du hältst in den Händen

       Stille der Flügel

wenn fluglos sie sind

 

 

 

 

*

 

 

 

In einem Verlies hinter Gittern

die vergessenen Gedanken

als Feuerzeichen zucken sie hervor

 

der Segen Gottes geht

durch alle Augen und Gesichter

 

 

 

*

 

 

 

Er brach mich auf

zu sich

ein zweites Antlitz wuchs mir

seine Herrlichkeit zu sehen

 

die Flügel blieben

             Hände ganz erstarrt

vom Segen noch

 

 

 

*

 

 

Wir Engel fliegen nicht nur

faßen uns ein Herz

zu kitten, helfen,

aufzurichten

was daniederliegt

zu säen neues Gras

selbst noch auf Stein

 

 

 

*

 

 

 

In Licht uns Schatten baden sich die Toten

des Morgens wenn noch Stille

zwischen hohen Bäumen wacht

und durch das Gras

da huschen namenlos Sekunden

zum kleinen Tempel hin

 

 

 

*

 

 

 

 

Es war zuviel

ich wollte ruhen

nun unter meinen Augen

ganz die Stille

nur meine Hand noch

spricht mit all den Dingen

 

 

 

*

 

 

Ich hebe meine Arme

faltergleich

ein Schmetterling

der den Himmel verlor

Engel ohne Flügel

die Totenstadt

sie liegt zu meinen Füßen

die Seele

sie erwacht

 

 

 

*

 

 

Siehst du den Engel dort

in seinen Augen wächst das Gras so schön

 

so ganz und gern mit dir

 

 

geh du voran

ich bleibe hier

in einem andern Leben

treffen wir uns wieder

 

 

 

*

 

 

 

Himmel über Heinrich Heine

 

 

Über mir der Himmel von Paris

das Licht reißt auf die Wolken

ein dunkler Schatten bin ich schon

und leb doch fort in jedem meiner Worte

 

 

ich jag die Mäuse zwischen Gräbern

wo Tag und Nacht die Seelen ruhen

ich schlafe auf dem kalten Stein

der in der Sonne sich erhitzt

und meine Pfote streift

die Toten sanft

 

 

 

*